Vorgeschichte der Freimaurerei: Unterschied zwischen den Versionen
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Dieser Artikel beschäftigt sich mit der institutionellen Vorgeschichte der [[Freimaurerei]], also der Zeit vor [[1717]], soweit sich diese rekonstruieren lässt. | Dieser Artikel beschäftigt sich mit der institutionellen Vorgeschichte der [[Freimaurerei]], also der Zeit vor [[1717]], soweit sich diese rekonstruieren lässt. | ||
= | =Europa im Mittelalter= | ||
Man findet in der Zeit des 12. Jahrhunderts bereits viele der [[Werkzeuge]], die bis heute die [[Freimaurerei]] kennzeichnen. Es gab zudem bereits im Mittelalter Institutionen, aus den sich später indirekt die [[Loge]]n entwickelten. Es handelt sich dabei um die gotischen [[Bauhütten|Dombauhütten]] und die [[Steinmetzbruderschaft]]en — und nicht um <i>mittelalterliche</i> [[Zünfte]]. Der Grund ist schlicht: Es gab im Mittelalter sehr wahrscheinlich, wenn überhaupt, nur sehr wenige [[Zünfte]] der [[Steinmetz]]e. Eine größere Verbreitung derartiger [[Steinmetzzunft|Zünfte]] taucht erst in der Renaissance auf, also in einer Zeit als das Mittelalter bereits abgelöst wurde. ([[Siehe unten|[[Vorgeschichte der Freimaurerei|Renaissance]]) | |||
<ref name="Europa im Mittelalter">Pirenne, H (1956/2009). <i>Europa im Mittelalter: von der Völkerwanderung bis zur Reformation.</i> Anaconda.</ref> | |||
<ref name="The Craft">Dickie, J. (2020). <i>The Craft: How the Freemasons Made the Modern World.</i> Public Affairs.</ref> | |||
<ref> Die erste bekannte Nennung einer solchen [[Zunft]] stammt aus [[England]], 1376. Allerdings scheint diese eher ein Einzelfall am Vorabend der Renaissance. Es gab also durchaus [[Zünfte]] der [[Steinmetz]]e, nur eben nicht viele. Genauso, wie es, neben den [[Bauhütte|Dombauhütte]]n, auch [[Bauhütte]]n in den Städten gab, nur eben nicht viele. Vgl. Dickie, 2020</ref> | |||
Der Grund, warum es so wenige [[Steinmetzzunft|Zünfte der Steinmetze]] im Mittelalter gab war schlicht — und folgenreich. [[Zünfte]] waren in Städten angesiedelt. Im Europa des Mittelalters bestanden Städte aber überwiegend aus Holzbauten. Entsprechend waren [[Steinmetze]] meist nur in geringer Zahl, gleichzeitig und dauerhaft an einem Ort beschäftigt. | |||
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Eine wichtige Ausnahme zur ihrer geringen Konzentration von Steinmetzen stellte die [[Dombau|kirchliche, v.a. die gotische Großbaustelle]] dar. | |||
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<ref name="Große Unbekannte">Dierickx, M.S.J. (1967/1999). <i>Freimaurerei: Die große Unbekannte. Ein Versuch zu Einsicht und Würdigung.</i> Edition zum Rauhen Stein.</ref> | |||
[[Datei:Kölner Dom red.jpg|thumb|350px|Kölner Dom, Aquarell von Vincenz Statz, 1861]] | [[Datei:Kölner Dom red.jpg|thumb|350px|Kölner Dom, Aquarell von Vincenz Statz, 1861]] | ||
Auf den [[Dombau|kirchlichen Großbaustelle]]n des Mittelalters wurde grundsätzlich zwischen Zunft, [[Bauhütte]] und [[Steinmetzbruderschaft]] unterschieden. Und es sind die letzteren, also die [[Bauhütte]]n und [[Steinmetzbruderschaft]]en, die zur heutigen [[Freimaurerei]] beigetragen haben: | Auf den [[Dombau|kirchlichen Großbaustelle]]n des Mittelalters wurde grundsätzlich zwischen [[Zunft]], [[Bauhütte]] und [[Steinmetzbruderschaft]] unterschieden. | ||
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Und es sind die letzteren, also die [[Bauhütte]]n und [[Steinmetzbruderschaft]]en, die wesentlich zur heutigen [[Freimaurerei]] beigetragen haben: Institutionell wie geistig. | |||
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<li>Zu den [[Bauhütte]]n: [[Bauhütte]]n waren Werkstattverbände, die unterschiedliche Handwerker koordinierten und den Bauablauf organisierten. [[Bauhütte]]n waren also meist lokale Organisationen der am [[Dombau]] beteiligten Handwerker und Dienstleister. So gab es in den [[Bauhütte]]n, neben den | <li>Zu den [[Bauhütte]]n: [[Bauhütte]]n waren Werkstattverbände, die unterschiedliche Handwerker koordinierten und den Bauablauf organisierten.<ref> Im Gegensatz zum romanischen Kirchenbau, der nur selten eine derartige Organisation kannte, waren [[Bauhütte]]n im [[Gotik|gotischen]] [[Dombau|Kirchenbau]] nicht wegzudenken.</ref> [[Bauhütte]]n waren also meist lokale Organisationen der am [[Dombau]] beteiligten Handwerker und Dienstleister. So gab es in den [[Bauhütte]]n, neben den [[Steinmetze]]n, auch Holzarbeiter, Küchenpersonal, Schmiede und Dienstleister (z.B. für Schlafstätten, Inventar etc.). [[Steinmetze]] waren also meist Mitglieder einer [[Bauhütte]] — aber sie waren dort bei weitem nicht die einzigen Handwerker. Und Handwerker wiederum waren nicht die einzigen Mitglieder der [[Bauhütte]]. Im Englischen nennt man [[Bauhütte]] übrigens ‘[[Loge|lodges]]’, worin sich bereits eine namentliche Verwandtschaft zur [[Freimaurerei]] zeigt. | ||
<li>Zu den [[Steinmetzbruderschaften]]: [[Steinmetzbruderschaften]] vertraten immerhin überregional, wenn auch äußerst lose die Interessen der Steinmetze. [[Steinmetzbruderschaften]] kamen in Westeuropa an verschiedenen Orten und Zeitpunkten auf, gesichert ab dem 11. Jahrhundert. Ein Grund für das Auftreten der [[Steinmetzbruderschaften]] war: Steinmetze waren anderen Handwerkern gegenüber prinzipiell benachteiligt, da sie ja i.d.R. nicht zünftig organisiert und oft zum Vagabundieren gezwungen waren. Dies trat insbesondere dann auf, wenn | <li>Zu den [[Steinmetzbruderschaften]]: [[Steinmetzbruderschaften]] vertraten immerhin überregional, wenn auch äußerst lose die Interessen der [[Steinmetze]]. [[Steinmetzbruderschaften]] kamen in Westeuropa an verschiedenen Orten und Zeitpunkten auf, gesichert ab dem 11. Jahrhundert. Ein Grund für das Auftreten der [[Steinmetzbruderschaften]] war: [[Steinmetze]] waren anderen Handwerkern gegenüber prinzipiell benachteiligt, da sie ja i.d.R. nicht [[Zunft|zünftig organisiert]] und oft zum Vagabundieren gezwungen waren. Dies trat insbesondere dann auf, wenn [[Bauhütte]]n bei Bauabschluss aufgelöst oder Bautätigkeiten bei Geldmangel eingestellt oder reduziert wurden. | ||
<ref>Der Begriff ‘freemasons’ leitet sich wohl von den ‘freestone masons’ ab: es waren also diejenigen [[Steinmetze]], die die [[Steine]] als Bildhauer bearbeiteten. Wir würden sie wohl Steinbildhauer nennen. ‘Roughstone masons’ hingegen waren [[Steinmetze]] für gröbere Arbeiten. Daneben gab es noch ‘setter' bzw. ‘brick layer’, welche die [[Steine]] einsetzten, was dem deutschen Wort Maurer entspricht. Die ‘setter' bzw. ‘brick layer’ waren aber eher einer niedrigen Profession. Vgl. Dickie, 2020</ref> | |||
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Also, um es kurz festzuhalten: Mittelalterliche Vorläufer der modernen Freimaurerei waren v.a. 1. [[Dombauhütte]]n und 2. [[Steinmetzbruderschaft]]en. | Also, um es kurz festzuhalten: Mittelalterliche Vorläufer der modernen Freimaurerei waren v.a. 1. [[Dombauhütte]]n und 2. [[Steinmetzbruderschaft]]en. | ||
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<ref name="Große Unbekannte"/> | |||
Diese Institutionen unterschieden sich von ihren antiken Vorläufern. Auf den mittelalterlichen [[Dombau|Großbaustellen]] gab es beispielsweise keine Sklavenarbeit, im Gegensatz zur Antike. Es war vielmehr eine Gemeinschaft von Schaffenden, die gemeinsam ein sakrales Werk errichteten. Zu den Schaffenden stießen auch immer wieder Laien, also Leute, die sich oft freiwillig und insb. ihres Seelenheils, nicht aber ihres Berufs wegen, am [[Dombau|Kirchenbau]] beteiligten. Insofern liegt es nahe, dass der Arbeit der gotischen Kathedrale, über ihren alltäglichen, baulichen Charakter hinaus, auch eine geistige Bedeutung zukam. Vermutlich verlieh es den Beteiligten eine höhere Weihe an einem heiligen Bau mitzuwirken, gerade weil sie dessen Vollendung nicht mehr erleben werden. | |||
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=Renaissance= | =Renaissance= | ||
In der Renaissance, also im 16. Jahrhundert, kommt es zu einem langsamen, aber allmählichen Bruch mit der Bautätigkeit — und auch der geistigen Ausrichtung des irdischen Lebens auf das Jenseits. Und in der Renaissance finden wir auch bereits deutlich konkretere Vorformen der modernen [[Freimaurerei]]. Dazu zählten dann schließlich auch die Zünfte der Maurer und Steinmetze. Es sind also die Steinmetz-Zünfte <i>der Renaissance, nicht aber des Mittelalters,</i> die zu den Vorformen der modernen [[Freimaurerei]] zählen. | In der Renaissance, also im 16. Jahrhundert, kommt es zu einem langsamen, aber allmählichen Bruch mit der Bautätigkeit — und auch der geistigen Ausrichtung des irdischen Lebens auf das Jenseits. Und in der Renaissance finden wir auch bereits deutlich konkretere Vorformen der modernen [[Freimaurerei]]. Dazu zählten dann schließlich auch die [[Zünfte]] der Maurer und [[Steinmetze]]. Es sind also die Steinmetz-Zünfte <i>der Renaissance, nicht aber des Mittelalters,</i> die zu den Vorformen der modernen [[Freimaurerei]] zählen. | ||
<ref name="The Craft"/> | |||
In der Renaissance wendete man sich allmählich wieder den antiken Idealen zu. Dies betraf auch das Bauen. Nach Vitruv, einem römischen Architekten des 1. Jahrhundert vor Christus, sollten Erbauer gebildete Architekten sein, die den Sinn hinter Ihren Bauten verstehen. Entsprechend machte die neu aufkommende Profession der [[Architektur|Architekten]] der [[Bauhütte]] | In der Renaissance wendete man sich allmählich wieder den antiken Idealen zu. Dies betraf auch das Bauen. Nach Vitruv, einem römischen Architekten des 1. Jahrhundert vor Christus, sollten Erbauer gebildete Architekten sein, die den Sinn hinter Ihren Bauten verstehen. Entsprechend machte die neu aufkommende Profession der [[Architektur|Architekten]] der [[Bauhütte]] Konkurrenz. Parallel zu den geistigen Veränderungen führten die demographischen und wirtschaftlichen Folgen der Pest (14. Jahrhundert) und des Hundertjährigen Krieges (1337-1453) zu geringeren Bautätigkeiten an Kirchen. Diese Entwicklungen zwangen [[Steinmetze]] sich neu auszurichten. | ||
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Die Steinmetze wanderten daher zunehmend in die Städte ab, in denen man nun mehr und mehr mit Stein baute. Hier wurden die Steinmetze auch oftmals zünftig. Mitglied der Zunft konnten übrigens nur freie Steinmetze werden, die eine untadelige Lebensführung und eine anerkannte handwerkliche Ausbildung vorzuweisen hatten. Den | ==[[Steinmetze]] werden [[Zunft|zünftig]]== | ||
Die [[Steinmetze]] wanderten daher zunehmend in die Städte ab, in denen man nun mehr und mehr mit Stein baute. Hier wurden die [[Steinmetze]] auch oftmals [[Zunft|zünftig]]. Mitglied der [[Zunft]] konnten übrigens nur freie [[Steinmetze]] werden, die eine untadelige Lebensführung und eine anerkannte handwerkliche Ausbildung vorzuweisen hatten. Den [[Zünfte]]n stand je eine gewählter [[Stuhlmeister]] vor. Die übrigen [[Brüder]] waren gleichberechtigt, sofern sie [[Gesellen]] waren. Der [[Meister]] wurde unter den [[Gesellen]] gewählt und war kein eigener [[Grad]]. | |||
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<ref> In der [[Schottland|schottischen]] und [[England|englischen]] [[Freimaurerei]] war ursprünglich der [[Geselle]]ngrad (fellow craft) auch bereits der höchste Grad.</ref> | |||
Es fanden regelmäßige Treffen statt, in denen über Angelegenheiten beraten wurde. Es gab zudem Regelwerke (sog. [[Steinmetzordnung]]en), die das Handwerk und die Beziehungen der Beteiligten ([[Lehrlinge]], [[Gesellen]] und [[Meister]]) beschrieben und sogar eine gewisse Gerichtsbarkeit. | |||
Bei den | Bei den [[Zünfte]]n der Renaissance gibt es also bereits konkrete Elemente, die in die moderne [[Freimaurerei]] tradiert wurden. Ähnliches gilt auch für das Wissen und die Bräuche der [[Steinmetze]]. Diese wurden in der Regel mündlich überliefert — inkl. Passwörter, [[Erkennungszeichen]], [[Symbole]] und [[Geometrie|das Wissen über geometrische Gesetze]], inklusive [[Architektur]] als angewandte [[Geometrie]]. | ||
<ref> Die Erkennungszeichen beispielsweise dienten dazu, dass [[Meister]] schnell einschätzen konnten, auf welchem Niveau ([[Lehrling]] oder [[Geselle]]) sie Arbeitskräfte einstellen konnten. Vgl. Dickie, 2020.</ref> | |||
Die Weltanschauung der Renaissance erforderte, dass sich die Erschaffer mit ihrem Erbauten auch theoretisch auseinanderzusetzen hatten. Um sich die Begriffe und Theorien besser einprägen zu können, griffen die [[Zunft]]-Mitglieder daher auf eine ‘ars memorandi’ zurück, also einer Gedächtnis-Technik, bei der sich Begriffe und Theorien durch deren Positionierung in einem Raum gemerkt wurden. Diese ‘ars memorandi' findet sich bis heute in unseren [[Ritual]]en wieder: Bestimmte [[Symbole]] haben ihren festen Platz in der [[Loge]] und prägen sich somit, durch räumliche Assoziation und ständiges Wiederholen, im Gedächtnis ein. | |||
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=Beginn der Maurerei in [[Schottland]]= | =Beginn der Maurerei in [[Schottland]]= | ||
Eine folgenreiche Entwicklung der Zünfte fand sodann auf den britischen Inseln statt, konkret: in [[Schottland]]. Die schottische Renaissance setzte deutlich später als in Kontinentaleuropa ein und entfaltete sich erst gen Ende des 16. Jahrhunderts voll. Eine wichtige Figur in ihr war Jacob VI (1566-1625). Die Zeit Jacobs war geprägt von Auseinandersetzungen zwischen [[Katholizismus|Katholiken]] und [[Protestantismus|Protestanten]]. Die [[Protestantismus|Protestanten]] rissen Kirchen nieder und zerstörten ihre Bilder. Und die [[Katholizismus|Katholiken]] verhielten sich nicht viel besser in diesem Bürgerkrieg. Jacob VI, selbst [[Katholizismus|Katholik]], untermauerte seinen Herrschaftsanspruch, indem er wieder Kathedralen errichteten ließ. Diese Wiederbelebung des Bauens stieß natürlich unter den | Eine folgenreiche Entwicklung der [[Zünfte]] fand sodann auf den [[Großbritannien|britischen Inseln]] statt, konkret: in [[Schottland]]. Die [[Schottland|schottische]] Renaissance setzte deutlich später als in Kontinentaleuropa ein und entfaltete sich erst gen Ende des 16. Jahrhunderts voll. Eine wichtige Figur in ihr war Jacob VI (1566-1625). | ||
<ref> Jacob VI war der Sohn Mary Stuarts, der Königin von [[Schottland]]. Er sollte später selbst zum König [[Schottland]]s werden — wie auch [[England]]s als auch [[Irland]]s. Auf ihn geht im Wesentlichen das <i>Vereinigte</i> Königreich zurück.</ref> | |||
Die Zeit Jacobs war geprägt von Auseinandersetzungen zwischen [[Katholizismus|Katholiken]] und [[Protestantismus|Protestanten]]. Die [[Protestantismus|Protestanten]] rissen Kirchen nieder und zerstörten ihre Bilder. Und die [[Katholizismus|Katholiken]] verhielten sich nicht viel besser in diesem Bürgerkrieg. Jacob VI, selbst [[Katholizismus|Katholik]], untermauerte seinen Herrschaftsanspruch, indem er wieder Kathedralen errichteten ließ. Diese Wiederbelebung des Bauens stieß natürlich unter den [[Steinmetze]]n auf große Zustimmung, da sie so wieder zu gesicherter Arbeit kamen. | |||
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Ein wichtiger Berater Jacobs in Sachen Kirchenbau war [[William Schaw]] (ca. 1550-1602). [[William Schaw|Schaw]], selbst Protestant, kam wohl gut am [[Katholizismus|katholischem]] Hofe Jacobs zurecht. [[William Schaw|Schaw]] versuchte die Steinmetze als loyale Gruppe an den König zu binden, indem er ein Narrativ und ein [[Ritual]] erfand, das den | Ein wichtiger Berater Jacobs in Sachen Kirchenbau war [[William Schaw]] (ca. 1550-1602). | ||
<ref> [[William Schaw|Schaw]] trug den Titel “Maister of wark, Wairden of ye Masons” — also Baumeister des Königs. Er ließ u.a. Holyroodhouse, Edinburgh Castle, Stirling Castle, Linlithgow Palace und Falkland Palace errichten.</ref> | |||
[[William Schaw|Schaw]], selbst Protestant, kam wohl gut am [[Katholizismus|katholischem]] Hofe Jacobs zurecht. [[William Schaw|Schaw]] versuchte die [[Steinmetze]] als loyale Gruppe an den König zu binden, indem er ein Narrativ und ein [[Ritual]] erfand, das den [[Steinmetze]]n schmeichelte. Es verbanden die Profession der [[Steinmetze]] mit dem [[Christentum]] einerseits und der Antike andererseits. Dies war vielleicht als Identitäts- und Legitimationsnarrativ wichtig, weil in der Renaissance [[Christentum]] <i>und</i> Antike hoch im Kurs standen. Gleichzeitig forderte Schaw weltanschauliche Toleranz innerhalb der [[Logen]]. Dies mag nicht überraschen: [[William Schaw|Schaw]] war ja [[Protestantismus|Protestant]] unter [[Katholizismus|Katholiken]]. | |||
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Die von [[William Schaw|Schaw]] gegründeten [[Loge]]n, die sog. ‘[[Schaw-Statuten von 1598 und 1599|Schaw Statutes]]’, beriefen sich auf einen Kodex und öffneten sich zunehmend anderen Professionen gegenüber. Ziel war es, v.a. Adlige als externe Fördermitglieder in die Zunft aufzunehmen, um diese mit Macht und Geld zu versorgen. Zu den externen Fördermitglieder zählten entsprechend auch Frauen. Als Gegenleistung bot man den Fördermitgliedern ein zeremonielles Ritual. | Die von [[William Schaw|Schaw]] gegründeten [[Loge]]n, die sog. ‘[[Schaw-Statuten von 1598 und 1599|Schaw Statutes]]’, beriefen sich auf einen Kodex<ref>Man kann in diesem Kodex in gewisser Weise einen Vorläufer der [[Alte Pflichten|Alten Pflichten]] sehen. Hier wurden u.a. gutes Benehmen und die neu geschaffenen [[Ritual]]e und [[Symbol]]e geregelt.</ref> und öffneten sich zunehmend anderen Professionen gegenüber. Ziel war es, v.a. Adlige als externe Fördermitglieder in die [[Zunft]] aufzunehmen, um diese mit Macht und Geld zu versorgen. Zu den externen Fördermitglieder zählten entsprechend auch Frauen. Als Gegenleistung bot man den Fördermitgliedern ein zeremonielles Ritual. | ||
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<ref>So beispielsweise im [[York Manuscript]] No. 4 von 1693 zu finden.</ref> | |||
Der Begriff ‘[[Angenommene Maurer]]’ (‚accepted masons’) spiegelt diese Tatsache bis heute wieder. [[Angenommene Maurer]] sind ja eben keine Steinbildhauer von Beruf. Ihre zunehmende Zahl in den [[Loge]]n führte dazu, dass die [[Freimaurerei]] zu dieser Zeit auch ‘[[Accepted |Acception]]’ genannt wurde. Es ist der Ursprung der [[spekulative Maurerei|spekulativen Maurerei]]. | Der Begriff ‘[[Angenommene Maurer]]’ (‚accepted masons’) spiegelt diese Tatsache bis heute wieder. [[Angenommene Maurer]] sind ja eben keine Steinbildhauer von Beruf. Ihre zunehmende Zahl in den [[Loge]]n führte dazu, dass die [[Freimaurerei]] zu dieser Zeit auch ‘[[Accepted |Acception]]’ genannt wurde. Es ist der Ursprung der [[spekulative Maurerei|spekulativen Maurerei]]. | ||
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Vermutlich kam in dieser Zeit auch der Mythos auf, dass es ein [[Geheimnis]] unter den Steinmetze gäbe. Das englische Wort ‘mystery' leitet sich nämlich vom Lateinischen ‚mystere’ ab, also der Meisterei (‚mastery‘). Mit dem Geheimnis der Maurerei war insofern ursprünglich wohl einfach nur die Handwerkskunst der Steinmetze gemeint. | Vermutlich kam in dieser Zeit auch der Mythos auf, dass es ein [[Geheimnis]] unter den [[Steinmetze]] gäbe. Das englische Wort ‘mystery' leitet sich nämlich vom Lateinischen ‚mystere’ ab, also der Meisterei (‚mastery‘). Mit dem Geheimnis der Maurerei war insofern ursprünglich wohl einfach nur die Handwerkskunst ('craft') der [[Steinmetze]] gemeint. | ||
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Möglicherweise waren gerade die Steinmetze besonders zugänglich für die von [[William Schaw|Schaw]] geschaffenen [[Rituale]], da sie ihnen einen alt-ehrwürdigen Charme verliehen. Steinmetze dürften kaum über eine große Tradition von [[Rituale]]n verfügt haben. Sie waren ja lange Zeit gerade nicht zünftig. Und die [[Steinmetzbruderschaft]] war, wie gesagt, eher eine lose Verbindung, die kaum in der Lage gewesen sein konnte, Passwörter, [[Erkennungszeichen]], [[Symbole]] und Wissen über viele Generationen und Orte mündlich zu tradieren. | Möglicherweise waren gerade die [[Steinmetze]] besonders zugänglich für die von [[William Schaw|Schaw]] geschaffenen [[Rituale]], da sie ihnen einen alt-ehrwürdigen Charme verliehen. [[Steinmetze]] dürften kaum über eine große Tradition von [[Rituale]]n verfügt haben. Sie waren ja lange Zeit gerade nicht [[Zunft|zünftig]]. Und die [[Steinmetzbruderschaft]] war, wie gesagt, eher eine lose Verbindung, die kaum in der Lage gewesen sein konnte, Passwörter, [[Erkennungszeichen]], [[Symbole]] und Wissen über viele Generationen und Orte mündlich zu tradieren. | ||
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=Der Weg nach England= | =Der Weg nach England= | ||
Die ‚[[Schaw-Statuten|Schaw Statutes]]‘ wurden wahrscheinlich durch royalistische Armeen im Englischen Bürgerkrieg (1642-1649) von [[Schottland]] nach [[England]] gebracht. In [[England]], insb. in [[London]] fiel die die ‘[[Accepted |Acception]]’ auf besonders fruchtbaren Boden. [[London]] war 1666 durch ‘den großen Brand’ großflächig abgefackelt, was einen Bauboom zur Folge hatte — insb. auch für Kirchen. [[Christopher Wren]] (1632-1723) beispielsweise ließ allein in [[London]] über 50 Kirchen errichten, darunter auch [[St. Paul Cathedral]] (1675-1708), bis heute der [[London]]er Bischofssitz und Mutterkirche der [[London]]er Diözese. In der Nähe von [[St. Paul Cathedral|St. Paul]] befand dann auch ein Lokal namens ‘[[Zur Gans und zum Bratrost|Ale House at the Goose and Gridiron]]’. Und eben dort kamen am 24.7.1717, also am [[Johannisfest|St. Johannistag]], angeblich 4 lokale [[Logen]] zusammen, um die ‘[[Grand Lodge of London & Westminster]]’ zu gründen. | Die ‚[[Schaw-Statuten|Schaw Statutes]]‘ wurden wahrscheinlich durch royalistische Armeen im Englischen Bürgerkrieg (1642-1649) von [[Schottland]] nach [[England]] gebracht. In [[England]], insb. in [[London]] fiel die die ‘[[Accepted |Acception]]’ auf besonders fruchtbaren Boden. [[London]] war 1666 durch ‘den großen Brand’ großflächig abgefackelt, was einen Bauboom zur Folge hatte — insb. auch für Kirchen. [[Christopher Wren]]<ref> Wren ist übrigens ein weiteres gutes Beispiel, wie sich zunehmend Wohlhabene und Adlige den Logen beitraten.</ref> (1632-1723) beispielsweise ließ allein in [[London]] über 50 Kirchen errichten, darunter auch [[St. Paul Cathedral]] (1675-1708), bis heute der [[London]]er Bischofssitz und Mutterkirche der [[London]]er Diözese. In der Nähe von [[St. Paul Cathedral|St. Paul]] befand dann auch ein Lokal namens ‘[[Zur Gans und zum Bratrost|Ale House at the Goose and Gridiron]]’.<ref> Also “zur Gans und zum Bratrost”, eine Parodie auf eine nahe gelegene Musikgesellschaft namens ‘Swan and Lyre’, also ’zum Schwan und zur Lyre’.</ref> Und eben dort kamen am 24.7.1717, also am [[Johannisfest|St. Johannistag]], angeblich 4 lokale [[Logen]] zusammen, um die ‘[[Grand Lodge of London & Westminster]]’ zu gründen. | ||
[[Datei:Goose_and_Gridiron.jpg|thumb|350px| | [[Datei:Goose_and_Gridiron.jpg|thumb|350px|Gasthaus '[[Goose and Gridiron]]', in der sich angeblich 1717 die ‘[[Grand Lodge of London & Westminster]]’ gründete.]] | ||
<ref name="The Craft"/> | |||
Zum Zeitpunkt der Gründung | Zum Zeitpunkt der Gründung dürfte der Einfluss der ‚[[Grand Lodge]]’ kaum über [[London]] hinaus Geltung gehabt haben — wenn überhaupt in [[London]] selbst. Das Jahr [[1717]] gilt trotzdem vielen als der Beginn einer zentralisierten Form der [[Freimaurerei]] (was stimmt) und wird oft als Gründungsdatum der [[Freimaurerei]] angesehen (was nicht stimmt: damit wird eben die pan-europäische und insb. [[Schottland|schottische]] Entstehungsgeschichte komplett ausgeblendet.) | ||
Das Jahr [[1717]] gilt trotzdem vielen als der Beginn einer zentralisierten Form der [[Freimaurerei]] (was stimmt) und wird oft als Gründungsdatum der [[Freimaurerei]] angesehen (was nicht stimmt: damit wird eben die pan-europäische und insb. [[Schottland|schottische]] Entstehungsgeschichte komplett ausgeblendet.) | <ref name="The Craft"/> | ||
[[Freimaurerei]] wurde somit Teil der [[London]]er [[Club]] Szene. Und aus dieser waren [[Frauen]] traditionell ausgeschlossen. Es war insofern wenig überlaschend, dass die Gründung der [[Großloge]] auf viel Unmut unter den [[Brüder]]n und insb. den [[Schwester]]n stieß, da sie als zentrales Organ versuchte, den anderen [[Logen]] Vorschriften zu machen. | [[Freimaurerei]] wurde somit Teil der [[London]]er [[Club]] Szene.<ref> Anstatt in Clubs ihre Freizeit zu verbringen, unterhielten Frauen ja zuhause ihre Salons</ref> Und aus dieser waren [[Frauen]] traditionell ausgeschlossen. Es war insofern wenig überlaschend, dass die Gründung der [[Großloge]] auf viel Unmut unter den [[Brüder]]n und insb. den [[Schwester]]n stieß, da sie als zentrales Organ versuchte, den anderen [[Logen]] Vorschriften zu machen. | ||
<ref name="The Craft"/> | |||
<ref> Die sich von der [[Großloge]] distanzierenden [[Loge]]n (‘antients') unterlagen aber letztlich dem Druck der [[Großloge]] und schlossen sich 1813 mit den als ‘moderns’ beschimpften Brüdern zusammen. Daher auch Bezeichnungen, wie die ‘[[Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer]]’.</ref> | |||
Mit der Verlagerung des Schwerpunktes von [[Schottland]] nach [[England]] und der Gründung der ‘[[Grand Lodge]]’ änderte sich die Logenkultur im Laufe der Zeit erneut. Es kam zu immer mehr Neugründungen von [[Loge]]n, die rein spekulativ arbeiteten, also gar keine Steinmetze im eigentlich Sinne mehr waren. Damit wurde langfristig aus einer sich in Wirtshäusern treffenden eigenständigen Verbindungen (wie es ja noch im ‘[[Zur Gans und zum Bratrost|Goose and Gridiron]]’ passierte) ein exklusives Netzwerk von [[Club]]s mit [[Humanismus|ethisch-humanitären]] Charakter. | Mit der Verlagerung des Schwerpunktes von [[Schottland]] nach [[England]] und der Gründung der ‘[[Grand Lodge]]’ änderte sich die Logenkultur im Laufe der Zeit erneut. Es kam zu immer mehr Neugründungen von [[Loge]]n, die rein [[spekulative Maurerei|spekulativ arbeiteten||, also gar keine [[Steinmetze]] im eigentlich Sinne mehr waren. | ||
<ref> Die Großlogengründung in London ging vermutlich eine Zeit des Niedergangs voraus, der durch ein zentrales Leitungsgremium entgegengewirkt werden sollte. Mit Erfolg: Die Anzahl der [[Loge]]n, die sich der [[Großloge]] anschlossen, betrug vor 1721 erst 12, 1728 dann 57, und 1735 bereits 138. 1776 wurde in [[London]] dann sogar das Hauptquartier der Ersten [[Großloge]], die [[Freemason’s Hall]], eingeweiht (darunter: 160 Frauen). Vgl. Dickie, 2020</ref> | |||
Damit wurde langfristig aus einer sich in Wirtshäusern treffenden eigenständigen Verbindungen (wie es ja noch im ‘[[Zur Gans und zum Bratrost|Goose and Gridiron]]’ passierte) ein exklusives Netzwerk von [[Club]]s mit [[Humanismus|ethisch-humanitären]] Charakter. Reize waren vermutlich der Charakter der Exklusivität, inkl. [[Arkan-Disziplin]], aber auch der [[Toleranz]]-Gedanke und vieles mehr. In einer Zeit, die von [[Religion]]s- und Bürgerkriegen geprägt war, erlaubten die [[Loge]]n zumindest den gehobenen Klassen über Trennendes hinwegzuschauen. In den [[Loge]]n saßen Whigs neben Torries, Adlige neben Bürger, [[Katholizismus|Katholiken]] neben [[Protestantismus|Protestanten]], sogar [[Juden]]. | |||
<ref name="The Craft"/> | |||
<ref name="Große Unbekannte"/> | |||
= | =Siehe auch= | ||
*[[Unwahrscheinliche und wahrscheinliche Wurzeln der Freimaurerei]] | |||
*[[Traktat:Die drei Wurzeln der Freimaurerei]] | |||
*[[Traktat: Die verwirrenden Wurzeln der Freimaurerei]] | |||
=Anmerkungen= | |||
[[Kategorie:Traktate|Vorgeschichte]] | [[Kategorie:Traktate|Vorgeschichte]] | ||
[[Kategorie:Geschichte|Vorgeschichte]] | [[Kategorie:Geschichte|Vorgeschichte]] | ||
Aktuelle Version vom 7. Dezember 2025, 13:11 Uhr
Quelle/Autor: Philipp Gerlach
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der institutionellen Vorgeschichte der Freimaurerei, also der Zeit vor 1717, soweit sich diese rekonstruieren lässt.
Europa im Mittelalter
Man findet in der Zeit des 12. Jahrhunderts bereits viele der Werkzeuge, die bis heute die Freimaurerei kennzeichnen. Es gab zudem bereits im Mittelalter Institutionen, aus den sich später indirekt die Logen entwickelten. Es handelt sich dabei um die gotischen Dombauhütten und die Steinmetzbruderschaften — und nicht um mittelalterliche Zünfte. Der Grund ist schlicht: Es gab im Mittelalter sehr wahrscheinlich, wenn überhaupt, nur sehr wenige Zünfte der Steinmetze. Eine größere Verbreitung derartiger Zünfte taucht erst in der Renaissance auf, also in einer Zeit als das Mittelalter bereits abgelöst wurde. ([[Siehe unten|Renaissance) [1] [2] [3]
Der Grund, warum es so wenige Zünfte der Steinmetze im Mittelalter gab war schlicht — und folgenreich. Zünfte waren in Städten angesiedelt. Im Europa des Mittelalters bestanden Städte aber überwiegend aus Holzbauten. Entsprechend waren Steinmetze meist nur in geringer Zahl, gleichzeitig und dauerhaft an einem Ort beschäftigt. [1] [2]
Eine wichtige Ausnahme zur ihrer geringen Konzentration von Steinmetzen stellte die kirchliche, v.a. die gotische Großbaustelle dar. [1] [2] [4]
Auf den kirchlichen Großbaustellen des Mittelalters wurde grundsätzlich zwischen Zunft, Bauhütte und Steinmetzbruderschaft unterschieden. [1] Und es sind die letzteren, also die Bauhütten und Steinmetzbruderschaften, die wesentlich zur heutigen Freimaurerei beigetragen haben: Institutionell wie geistig. [2] [4]
- Zu den Bauhütten: Bauhütten waren Werkstattverbände, die unterschiedliche Handwerker koordinierten und den Bauablauf organisierten.[5] Bauhütten waren also meist lokale Organisationen der am Dombau beteiligten Handwerker und Dienstleister. So gab es in den Bauhütten, neben den Steinmetzen, auch Holzarbeiter, Küchenpersonal, Schmiede und Dienstleister (z.B. für Schlafstätten, Inventar etc.). Steinmetze waren also meist Mitglieder einer Bauhütte — aber sie waren dort bei weitem nicht die einzigen Handwerker. Und Handwerker wiederum waren nicht die einzigen Mitglieder der Bauhütte. Im Englischen nennt man Bauhütte übrigens ‘lodges’, worin sich bereits eine namentliche Verwandtschaft zur Freimaurerei zeigt.
- Zu den Steinmetzbruderschaften: Steinmetzbruderschaften vertraten immerhin überregional, wenn auch äußerst lose die Interessen der Steinmetze. Steinmetzbruderschaften kamen in Westeuropa an verschiedenen Orten und Zeitpunkten auf, gesichert ab dem 11. Jahrhundert. Ein Grund für das Auftreten der Steinmetzbruderschaften war: Steinmetze waren anderen Handwerkern gegenüber prinzipiell benachteiligt, da sie ja i.d.R. nicht zünftig organisiert und oft zum Vagabundieren gezwungen waren. Dies trat insbesondere dann auf, wenn Bauhütten bei Bauabschluss aufgelöst oder Bautätigkeiten bei Geldmangel eingestellt oder reduziert wurden. [6]
Also, um es kurz festzuhalten: Mittelalterliche Vorläufer der modernen Freimaurerei waren v.a. 1. Dombauhütten und 2. Steinmetzbruderschaften. [2] [4]
Diese Institutionen unterschieden sich von ihren antiken Vorläufern. Auf den mittelalterlichen Großbaustellen gab es beispielsweise keine Sklavenarbeit, im Gegensatz zur Antike. Es war vielmehr eine Gemeinschaft von Schaffenden, die gemeinsam ein sakrales Werk errichteten. Zu den Schaffenden stießen auch immer wieder Laien, also Leute, die sich oft freiwillig und insb. ihres Seelenheils, nicht aber ihres Berufs wegen, am Kirchenbau beteiligten. Insofern liegt es nahe, dass der Arbeit der gotischen Kathedrale, über ihren alltäglichen, baulichen Charakter hinaus, auch eine geistige Bedeutung zukam. Vermutlich verlieh es den Beteiligten eine höhere Weihe an einem heiligen Bau mitzuwirken, gerade weil sie dessen Vollendung nicht mehr erleben werden. [1]
Renaissance
In der Renaissance, also im 16. Jahrhundert, kommt es zu einem langsamen, aber allmählichen Bruch mit der Bautätigkeit — und auch der geistigen Ausrichtung des irdischen Lebens auf das Jenseits. Und in der Renaissance finden wir auch bereits deutlich konkretere Vorformen der modernen Freimaurerei. Dazu zählten dann schließlich auch die Zünfte der Maurer und Steinmetze. Es sind also die Steinmetz-Zünfte der Renaissance, nicht aber des Mittelalters, die zu den Vorformen der modernen Freimaurerei zählen. [2]
In der Renaissance wendete man sich allmählich wieder den antiken Idealen zu. Dies betraf auch das Bauen. Nach Vitruv, einem römischen Architekten des 1. Jahrhundert vor Christus, sollten Erbauer gebildete Architekten sein, die den Sinn hinter Ihren Bauten verstehen. Entsprechend machte die neu aufkommende Profession der Architekten der Bauhütte Konkurrenz. Parallel zu den geistigen Veränderungen führten die demographischen und wirtschaftlichen Folgen der Pest (14. Jahrhundert) und des Hundertjährigen Krieges (1337-1453) zu geringeren Bautätigkeiten an Kirchen. Diese Entwicklungen zwangen Steinmetze sich neu auszurichten. [2] [4]
Steinmetze werden zünftig
Die Steinmetze wanderten daher zunehmend in die Städte ab, in denen man nun mehr und mehr mit Stein baute. Hier wurden die Steinmetze auch oftmals zünftig. Mitglied der Zunft konnten übrigens nur freie Steinmetze werden, die eine untadelige Lebensführung und eine anerkannte handwerkliche Ausbildung vorzuweisen hatten. Den Zünften stand je eine gewählter Stuhlmeister vor. Die übrigen Brüder waren gleichberechtigt, sofern sie Gesellen waren. Der Meister wurde unter den Gesellen gewählt und war kein eigener Grad. [2] [7] Es fanden regelmäßige Treffen statt, in denen über Angelegenheiten beraten wurde. Es gab zudem Regelwerke (sog. Steinmetzordnungen), die das Handwerk und die Beziehungen der Beteiligten (Lehrlinge, Gesellen und Meister) beschrieben und sogar eine gewisse Gerichtsbarkeit.
Bei den Zünften der Renaissance gibt es also bereits konkrete Elemente, die in die moderne Freimaurerei tradiert wurden. Ähnliches gilt auch für das Wissen und die Bräuche der Steinmetze. Diese wurden in der Regel mündlich überliefert — inkl. Passwörter, Erkennungszeichen, Symbole und das Wissen über geometrische Gesetze, inklusive Architektur als angewandte Geometrie. [8] Die Weltanschauung der Renaissance erforderte, dass sich die Erschaffer mit ihrem Erbauten auch theoretisch auseinanderzusetzen hatten. Um sich die Begriffe und Theorien besser einprägen zu können, griffen die Zunft-Mitglieder daher auf eine ‘ars memorandi’ zurück, also einer Gedächtnis-Technik, bei der sich Begriffe und Theorien durch deren Positionierung in einem Raum gemerkt wurden. Diese ‘ars memorandi' findet sich bis heute in unseren Ritualen wieder: Bestimmte Symbole haben ihren festen Platz in der Loge und prägen sich somit, durch räumliche Assoziation und ständiges Wiederholen, im Gedächtnis ein. [2] [4]
Beginn der Maurerei in Schottland
Eine folgenreiche Entwicklung der Zünfte fand sodann auf den britischen Inseln statt, konkret: in Schottland. Die schottische Renaissance setzte deutlich später als in Kontinentaleuropa ein und entfaltete sich erst gen Ende des 16. Jahrhunderts voll. Eine wichtige Figur in ihr war Jacob VI (1566-1625). [9] Die Zeit Jacobs war geprägt von Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten. Die Protestanten rissen Kirchen nieder und zerstörten ihre Bilder. Und die Katholiken verhielten sich nicht viel besser in diesem Bürgerkrieg. Jacob VI, selbst Katholik, untermauerte seinen Herrschaftsanspruch, indem er wieder Kathedralen errichteten ließ. Diese Wiederbelebung des Bauens stieß natürlich unter den Steinmetzen auf große Zustimmung, da sie so wieder zu gesicherter Arbeit kamen. [2]
Ein wichtiger Berater Jacobs in Sachen Kirchenbau war William Schaw (ca. 1550-1602). [10] Schaw, selbst Protestant, kam wohl gut am katholischem Hofe Jacobs zurecht. Schaw versuchte die Steinmetze als loyale Gruppe an den König zu binden, indem er ein Narrativ und ein Ritual erfand, das den Steinmetzen schmeichelte. Es verbanden die Profession der Steinmetze mit dem Christentum einerseits und der Antike andererseits. Dies war vielleicht als Identitäts- und Legitimationsnarrativ wichtig, weil in der Renaissance Christentum und Antike hoch im Kurs standen. Gleichzeitig forderte Schaw weltanschauliche Toleranz innerhalb der Logen. Dies mag nicht überraschen: Schaw war ja Protestant unter Katholiken. [2]
Die von Schaw gegründeten Logen, die sog. ‘Schaw Statutes’, beriefen sich auf einen Kodex[11] und öffneten sich zunehmend anderen Professionen gegenüber. Ziel war es, v.a. Adlige als externe Fördermitglieder in die Zunft aufzunehmen, um diese mit Macht und Geld zu versorgen. Zu den externen Fördermitglieder zählten entsprechend auch Frauen. Als Gegenleistung bot man den Fördermitgliedern ein zeremonielles Ritual. [2] [12]
Der Begriff ‘Angenommene Maurer’ (‚accepted masons’) spiegelt diese Tatsache bis heute wieder. Angenommene Maurer sind ja eben keine Steinbildhauer von Beruf. Ihre zunehmende Zahl in den Logen führte dazu, dass die Freimaurerei zu dieser Zeit auch ‘Acception’ genannt wurde. Es ist der Ursprung der spekulativen Maurerei. [2]
Vermutlich kam in dieser Zeit auch der Mythos auf, dass es ein Geheimnis unter den Steinmetze gäbe. Das englische Wort ‘mystery' leitet sich nämlich vom Lateinischen ‚mystere’ ab, also der Meisterei (‚mastery‘). Mit dem Geheimnis der Maurerei war insofern ursprünglich wohl einfach nur die Handwerkskunst ('craft') der Steinmetze gemeint. [2]
Möglicherweise waren gerade die Steinmetze besonders zugänglich für die von Schaw geschaffenen Rituale, da sie ihnen einen alt-ehrwürdigen Charme verliehen. Steinmetze dürften kaum über eine große Tradition von Ritualen verfügt haben. Sie waren ja lange Zeit gerade nicht zünftig. Und die Steinmetzbruderschaft war, wie gesagt, eher eine lose Verbindung, die kaum in der Lage gewesen sein konnte, Passwörter, Erkennungszeichen, Symbole und Wissen über viele Generationen und Orte mündlich zu tradieren. [2]
Der Weg nach England
Die ‚Schaw Statutes‘ wurden wahrscheinlich durch royalistische Armeen im Englischen Bürgerkrieg (1642-1649) von Schottland nach England gebracht. In England, insb. in London fiel die die ‘Acception’ auf besonders fruchtbaren Boden. London war 1666 durch ‘den großen Brand’ großflächig abgefackelt, was einen Bauboom zur Folge hatte — insb. auch für Kirchen. Christopher Wren[13] (1632-1723) beispielsweise ließ allein in London über 50 Kirchen errichten, darunter auch St. Paul Cathedral (1675-1708), bis heute der Londoner Bischofssitz und Mutterkirche der Londoner Diözese. In der Nähe von St. Paul befand dann auch ein Lokal namens ‘Ale House at the Goose and Gridiron’.[14] Und eben dort kamen am 24.7.1717, also am St. Johannistag, angeblich 4 lokale Logen zusammen, um die ‘Grand Lodge of London & Westminster’ zu gründen.
Zum Zeitpunkt der Gründung dürfte der Einfluss der ‚Grand Lodge’ kaum über London hinaus Geltung gehabt haben — wenn überhaupt in London selbst. Das Jahr 1717 gilt trotzdem vielen als der Beginn einer zentralisierten Form der Freimaurerei (was stimmt) und wird oft als Gründungsdatum der Freimaurerei angesehen (was nicht stimmt: damit wird eben die pan-europäische und insb. schottische Entstehungsgeschichte komplett ausgeblendet.) [2]
Freimaurerei wurde somit Teil der Londoner Club Szene.[15] Und aus dieser waren Frauen traditionell ausgeschlossen. Es war insofern wenig überlaschend, dass die Gründung der Großloge auf viel Unmut unter den Brüdern und insb. den Schwestern stieß, da sie als zentrales Organ versuchte, den anderen Logen Vorschriften zu machen. [2] [16]
Mit der Verlagerung des Schwerpunktes von Schottland nach England und der Gründung der ‘Grand Lodge’ änderte sich die Logenkultur im Laufe der Zeit erneut. Es kam zu immer mehr Neugründungen von Logen, die rein [[spekulative Maurerei|spekulativ arbeiteten||, also gar keine Steinmetze im eigentlich Sinne mehr waren. [17] Damit wurde langfristig aus einer sich in Wirtshäusern treffenden eigenständigen Verbindungen (wie es ja noch im ‘Goose and Gridiron’ passierte) ein exklusives Netzwerk von Clubs mit ethisch-humanitären Charakter. Reize waren vermutlich der Charakter der Exklusivität, inkl. Arkan-Disziplin, aber auch der Toleranz-Gedanke und vieles mehr. In einer Zeit, die von Religions- und Bürgerkriegen geprägt war, erlaubten die Logen zumindest den gehobenen Klassen über Trennendes hinwegzuschauen. In den Logen saßen Whigs neben Torries, Adlige neben Bürger, Katholiken neben Protestanten, sogar Juden. [2] [4]
Siehe auch
- Unwahrscheinliche und wahrscheinliche Wurzeln der Freimaurerei
- Traktat:Die drei Wurzeln der Freimaurerei
- Traktat: Die verwirrenden Wurzeln der Freimaurerei
Anmerkungen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Pirenne, H (1956/2009). Europa im Mittelalter: von der Völkerwanderung bis zur Reformation. Anaconda.
- ↑ 2,00 2,01 2,02 2,03 2,04 2,05 2,06 2,07 2,08 2,09 2,10 2,11 2,12 2,13 2,14 2,15 2,16 2,17 2,18 Dickie, J. (2020). The Craft: How the Freemasons Made the Modern World. Public Affairs.
- ↑ Die erste bekannte Nennung einer solchen Zunft stammt aus England, 1376. Allerdings scheint diese eher ein Einzelfall am Vorabend der Renaissance. Es gab also durchaus Zünfte der Steinmetze, nur eben nicht viele. Genauso, wie es, neben den Dombauhütten, auch Bauhütten in den Städten gab, nur eben nicht viele. Vgl. Dickie, 2020
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 Dierickx, M.S.J. (1967/1999). Freimaurerei: Die große Unbekannte. Ein Versuch zu Einsicht und Würdigung. Edition zum Rauhen Stein.
- ↑ Im Gegensatz zum romanischen Kirchenbau, der nur selten eine derartige Organisation kannte, waren Bauhütten im gotischen Kirchenbau nicht wegzudenken.
- ↑ Der Begriff ‘freemasons’ leitet sich wohl von den ‘freestone masons’ ab: es waren also diejenigen Steinmetze, die die Steine als Bildhauer bearbeiteten. Wir würden sie wohl Steinbildhauer nennen. ‘Roughstone masons’ hingegen waren Steinmetze für gröbere Arbeiten. Daneben gab es noch ‘setter' bzw. ‘brick layer’, welche die Steine einsetzten, was dem deutschen Wort Maurer entspricht. Die ‘setter' bzw. ‘brick layer’ waren aber eher einer niedrigen Profession. Vgl. Dickie, 2020
- ↑ In der schottischen und englischen Freimaurerei war ursprünglich der Gesellengrad (fellow craft) auch bereits der höchste Grad.
- ↑ Die Erkennungszeichen beispielsweise dienten dazu, dass Meister schnell einschätzen konnten, auf welchem Niveau (Lehrling oder Geselle) sie Arbeitskräfte einstellen konnten. Vgl. Dickie, 2020.
- ↑ Jacob VI war der Sohn Mary Stuarts, der Königin von Schottland. Er sollte später selbst zum König Schottlands werden — wie auch Englands als auch Irlands. Auf ihn geht im Wesentlichen das Vereinigte Königreich zurück.
- ↑ Schaw trug den Titel “Maister of wark, Wairden of ye Masons” — also Baumeister des Königs. Er ließ u.a. Holyroodhouse, Edinburgh Castle, Stirling Castle, Linlithgow Palace und Falkland Palace errichten.
- ↑ Man kann in diesem Kodex in gewisser Weise einen Vorläufer der Alten Pflichten sehen. Hier wurden u.a. gutes Benehmen und die neu geschaffenen Rituale und Symbole geregelt.
- ↑ So beispielsweise im York Manuscript No. 4 von 1693 zu finden.
- ↑ Wren ist übrigens ein weiteres gutes Beispiel, wie sich zunehmend Wohlhabene und Adlige den Logen beitraten.
- ↑ Also “zur Gans und zum Bratrost”, eine Parodie auf eine nahe gelegene Musikgesellschaft namens ‘Swan and Lyre’, also ’zum Schwan und zur Lyre’.
- ↑ Anstatt in Clubs ihre Freizeit zu verbringen, unterhielten Frauen ja zuhause ihre Salons
- ↑ Die sich von der Großloge distanzierenden Logen (‘antients') unterlagen aber letztlich dem Druck der Großloge und schlossen sich 1813 mit den als ‘moderns’ beschimpften Brüdern zusammen. Daher auch Bezeichnungen, wie die ‘Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer’.
- ↑ Die Großlogengründung in London ging vermutlich eine Zeit des Niedergangs voraus, der durch ein zentrales Leitungsgremium entgegengewirkt werden sollte. Mit Erfolg: Die Anzahl der Logen, die sich der Großloge anschlossen, betrug vor 1721 erst 12, 1728 dann 57, und 1735 bereits 138. 1776 wurde in London dann sogar das Hauptquartier der Ersten Großloge, die Freemason’s Hall, eingeweiht (darunter: 160 Frauen). Vgl. Dickie, 2020
