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| == Einige Bemerkungen zur Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Freimaurerei von 1945-1955 unter besonderer Berücksichtigung der GNML zu den „3WK“ ==
| | #REDIRECT[[Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Freimaurerei von 1945-1955 unter besonderer Berücksichtigung der GNML zu den „3WK“]] |
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| Pantelis Carelos / Archiv 3WK
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| <poem>
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| “Die Freimaurer sind allzeit schlechte
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| Geschichtsschreiber ihres Ordens gewesen
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| und haben sich von jeher an
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| zufällige Übereinstimmungen gehalten,
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| um alle möglichen kühnen Geister alter
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| und neuer Zeit für Freimaurer erklären
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| zu können“ (1923)
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| Fritz Mauthner
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| (Der Atheismus und seine Geschichte im
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| Abendlande, Band 3, Heppenheim 2010,
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| Anm. 54, S. 352)
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| </poem>
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| Der vorliegende Vortrag1 ist als erster Teil einer umfangreicheren Untersuchung
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| zur Geschichte der deutschen Freimaurerei von 1945 bis 1970 unter
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| besonderer Berücksichtigung der GNML zu den „3WK“ gedacht, die sich
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| noch in Vorbereitung befindet, d.h. er hat nur vorläufigen Charakter. Das Thema
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| erfordert einige Vorüberlegungen, die einen großen Teil meiner Ausführungen
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| in Anspruch nehmen. Ich hoffe, ebendiese Ausführungen werden die
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| so entstandenen Disproportionen hinreichend begründen.
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| I. Allgemeines
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| Der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch zu gut an ein Gespräch mit
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| dem vor einigen Jahren verstorbenen Großarchivar der GNML zu den „3WK“,
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| Br. Werner Schwartz, in dem dieser mit Bitterkeit an die vielfachen „brüderlichen“
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| Mahnungen dachte, die er bei jeder Gelegenheit erhielt, er möge doch
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| davon ablassen, wie lange solle man noch das Büßerhemd tragen - wovon er
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| absehen sollte, war seine damals geplante kritische Aufarbeitung der Geschichte
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| der „3WK“ während der NS-Zeit, welche schließlich im Jahre 2000
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| mit der Herausgabe seines dreibändigen Standardwerks ihren Abschluß fand.
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| 1 Für diesen Vortrag wurden unveröffentlichte Archivalien aus dem Archiv der GNML
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| 3WK sowie bereits veröffentlichte Dokumente herangezogen. Für letztere maßgeblich W.
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| Schwartz, Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ ... - Versuch einer Standortbestimmung,
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| Berlin 2000 (im Folgenden „Standortbestimmung“).
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| Um mit Br. W. Schwartz zu sprechen: „(es) sei die Feststellung getroffen, daß
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| die ... Freimaurerei, bei der Aufarbeitung von Vergangenem geneigt ist, unangenehme
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| Vorgänge zu verdrängen und zu glorifizieren ... Schließlich soll
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| keine selbstgefällige, pharisäerhafte moralische Wertung des damaligen Geschehens
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| vorgenommen werden, sondern dieses Geschehen soll in das politische
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| Umfeld und den damit verbundenen Zeitgeist eingebettet werden“.
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| In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob sich aus der
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| Geschichte lernen läßt. Der deutsche Historiker Michael Stürmer, Berater des
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| damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl und Teilnehmer des sog. Historikerstreits,
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| formulierte 1993 das in der deutschen Gesellschaft weitverbreitete,
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| nationalverträgliche Geschichtsbild wie folgt: „In zunehmenden Begründungsnöten
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| aber erhebt sich die Frage, wie lange es dem stein´ernen Gast aus der
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| Vergangenheit noch gestattet sein soll, für alle Zukunft und alle Vergangenheit
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| über Bürgertugend und Vaterlandsliebe sein Veto zu werfen“ (FAZ,
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| 27.12.1993).
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| Mit anderen Worten, um wieder eine normale Nation zu werden, sollten
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| wir die kritische Erinnerung an die NS-Zeit verdrängen. Gilt also die alte
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| wie beliebte Denkfigur/Maxime der Geschichte als Lehrmeisterin, historia
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| magistra vitae, nicht mehr? «Aus der Geschichte lernen» ist etwas anderes
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| als etwa «Geschichte lernen». Letzteres passiert in der Schule: Man lernt
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| dort Daten von Schlachten sowie andere historische Begebenheiten genauso
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| wie man Vokabeln lernt. Indes gibt es keine eindeutigen geschichtlichen
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| Lehren, sondern nur Menschen, die Ereignisse deuten. Darüber hinaus kann
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| man nur aus einer Geschichte lernen, die sich wiederholt.
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| Geschichte kann jedoch auch Aufklärung, Selbstkritik und Selbsterkenntnis
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| bedeuten. Im konkreten Fall, für die Jahre nach 1945, ist die Geschichte
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| besonders dazu geeignet als kritische Instanz zu fungieren: „Die Geschichte
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| mag allenfalls eine kritische Lehrmeisterin sein, die uns sagt, wie wir es nicht
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| machen sollen. Als solche meldet sie sich freilich nur zu Wort, wenn wir uns
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| eingestehen, daß wir versagt haben. Um aus der Geschichte zu lernen, dürfen
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| wir ungelöste Probleme nicht wegschieben und verdrängen; wir müssen
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| uns für kritische Erfahrungen offenhalten“, so Jürgen Habermas, in seiner
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| Essaysammlung: Zeitdiagnosen, Frankfurt 2003.
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| II. Zur Entwicklung der GNML 3WK bis 1945
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| Die Entwicklung der deutschen Freimaurerei von ihren Anfängen im
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| 18. Jh. bis zum Ende des 19. Jh., insbesondere die Existenz mehrerer Systeme
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| und Obödienzen, kann nur verstanden werden, wenn man die innere
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| Struktur des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in seiner Spätphase
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| und des Deutschen Bundes, kurzum die deutsche Kleinstaaterei,
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| berücksichtigt. Damit geht auch die Tatsache einher, daß die Maurerei auf
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| sehr verschiedene Wege nach Deutschland gekommen ist.2 Auf der anderen
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| Seite waren auch die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges, die Entstehung
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| der zwei deutschen Teilstaaten und die Sonderstellung Berlins, der Entwicklung
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| einer einheitlichen deutschen Freimaurerei kaum zuträglich.
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| Damit der Rahmen dieses Vortrags nicht gesprengt wird, möchte ich
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| im Folgenden die lange Entwicklung der GNML zu den „3WK“, von ihrer
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| Gründung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, durch die Aufstellung
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| einiger Thesen charakterisieren (Vgl. insbesondere Werner Schwartz, „Standortbestimmung“,
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| Bd. I-III, passim):
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| 1. Die GNML zu den „3WK“ wurde im Jahre 1740 von Friedrich II.,
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| dem Großen, gegründet und war bis zum Ende des 1. WK mit dem Hause
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| Hohenzollern eng verbunden - letzteres trifft auch für die übrigen altpreußischen
| |
| Großlogen zu, welche ausnahmslos christlich, monarchistisch und
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| vaterländisch geprägt waren. Im letzten Drittel des 19. Jh. und besonders im
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| ersten Drittel des 20. Jh. verschob sich sogar die Einstellung der Altpreußischen
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| und besonders der GNML zu den „3WK“: es bildeten sich völkisch-nationale
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| und antisemitische Positionen heraus.
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| 2. Parallel dazu gab es im Laufe des 19. Jh. immer wieder Bestrebungen,
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| eine einheitliche deutsche Freimaurerei aufzubauen. So sind zu erwähnen:
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| 1810 die Gründung eines Freimaurer-Vereins der drei Großen Logen
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| Berlins, der eine Vereinigung der preußischen Freimaurerei anstrebte - er
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| löste sich wegen innerer Zerwürfnisse 1823 auf. Weitere Vereinigungsversuche
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| mündeten schließlich im Jahre 1872 in die Gründung des Deutschen
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| Großlogenbundes ein, dem acht deutsche Großlogen angehörten. Indes war
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| die Idee einer einzigen deutschen Großloge auf Grund des deutschen Partikularismus
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| a priori zum Scheitern verurteilt. Mehr noch es entwickelten sich
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| in Deutschland eine „humanitäre“ und eine „christliche“ Richtung der Freimaurerei.
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| Erstere machte keinen Unterschied im Glaubensbekenntnis, so
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| daß z.B. auch jüdischen Suchenden die Aufnahme ermöglicht wurde.
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| Schließlich kam es im Jahre 1922 zum Austritt der altpreußischen Logen aus
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| dem Deutschen Großlogenbund. Neben der Frage der Religion schied beide
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| Systeme der Versuch der GNML zu den „3WK“, die Aufnahmebedingungen
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| 2 Vgl. F. J. Böttner, Zersplitterung und Einigung, Hamburg 1962, S. 45f.
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| von der „Deutschstämmigkeit“ und „nationalen Zuverlässigkeit“ des Aufzunehmenden
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| abhängig zu machen.
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| 3. Die Umwandlung der GNML zu den „3WK“ in den Nationalen
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| Christlichen Orden „Friedrich der Große“ im April 1933 war kein Tarnungsversuch
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| zur Rettung der Freimaurerei, sondern der Versuch überzeugter Nationalsozialisten,
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| eine völkisch-nationale Freimaurerei aufzubauen. Der Gedanke,
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| es würde etwa durch Anbiederung gelingen, der Verfolgung Einhalt zu gebieten,
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| ist ein Irrtum. Die Angriffe auf die Freimaurerei wurden immer stärker.
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| Auch der Widerstand deutscher Freimaurer gegen das NS-System hielt sich
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| in Grenzen. Die deutschen Freimaurer waren in dieser Hinsicht nicht besser
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| und auch nicht schlechter als die Mehrheit der deutschen Bürger. Sich dieses
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| einzugestehen, fällt den meisten Freimaurern bis heute schwer.
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| III. Die GNML «3WK» in der Zeit von 1945-1955
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| Das Jahr 1945 bedeutete den völligen Zusammenbruch und das Ende
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| des Deutschen Reiches verbunden mit ungeheuren Verlusten an Menschen,
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| Vertreibung, leiblicher Not. Die Teilung Deutschlands in vier Besatzungszonen
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| und die Sonderstellung des ebenfalls in vier Sektoren geteilten Berlins
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| erschwerten die Wiederentstehung der Freimaurerei in den Organisationsformen
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| vor der Machtergreifung. Hinzu kam, daß die Besatzungsmächte keine
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| überregionalen Zusammenschlüsse zuließen.
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| Bereits ab dem Spätsommer 1945 nahm man in Berlin Kontakte mit
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| der amerikanischen Militärregierung auf - für die „3WK“ Br. Traugott Mann mit
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| Colonel Richmond, selbst Freimaurer und Dezernent für Freimaurerangelegenheiten
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| bei der US-Armee. Ziel dieser Bestrebungen war die Erteilung
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| einer Genehmigung zur Wiederaufnahme freimaurerischer Tätigkeit. Nach
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| langen Bemühungen gelang es einem „vorläufigen geschäftsführenden Bundesdirektorium“
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| der GNML zu den „3WK“ im Mai 1946 eine offizielle Arbeitserlaubnis
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| zu erwirken - allerdings war diese auf den amerikanischen Sektor
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| beschränkt.
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| Ab August 1946 begannen die Logen mit ihren Arbeiten. Der monatlich
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| erscheinende Arbeitskalender weist einen regelmäßigen Ablauf der Arbeiten
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| aus. Gearbeitet wurde mit einem modifizierten Ritual in einer Fassung vor
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| 1933. Das Alles spricht für eine Konsolidierung der Johannislogen und eine
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| Normalisierung der Arbeit der Großlogen sowie ihrer gegenseitigen Beziehungen.
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| Doch weit gefehlt, diese politisch, wirtschaftlich wie sozial noch nicht
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| gefestigte Umbruchzeit wirkte dramatisch in die Freimaurerei hinein,
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| zwangsläufig flossen Machtstreben, Ambitionen und Misstrauen genährt aus
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| der jüngsten Vergangenheit ein. Die Atmosphäre war bereits so vergiftet, daß
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| viele menschliche Schicksale Schaden nahmen.
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| Aus dieser turbulenten Zeit möchte ich zwei Komplexe vorstellen, die
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| einen gewissen Einblick in die Zeit und die Ereignisse gewähren: den Fall
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| des „3WK“ NGM Fritz Sasse und den Prozeß der „3WK“ gegen Br. Karl Manecke
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| .
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| Der Fall des „3WK“ NGM Fritz Sasse
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| Wer war eigentlich Fritz Sasse? - Er wurde 1889 in Berlin geboren und
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| ist 1956 ebenda gestorben, Sohn eines Lehrers, wurde 1913 ordiniert und
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| war bis zum Ende des 1. WK Pfarrer in Danzig wie auch Feldgeistlicher.
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| Während des Krieges erhielt er das Eiserne Kreuz II, die Rot-Kreuz-Medaille
| |
| III, später auch das Ehrenkreuz für Frontkämpfer. Von 1918 bis 1932 war er
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| Pfarrer in der Lazarus Gemeinde in Berlin-Friedrichshain und nach einem
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| Zwischenaufenthalt in Krahne/Lehnin ab 1939 in Berlin-Johannisthal. Seit
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| 1923 gehörte er der „3WK“ Loge „Zur Eintracht“ an.
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| Der Superintendent seiner Kirche urteilte über ihn wie folgt: „Er ist ein
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| guter Prediger und ein treuer Seelsorger und durchaus national gesonnen“
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| und weiter aus einer anderen Mitteilung des Superintendenten: „Er sei ein
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| Feuerwehrmann gewesen, auch Inspektor aller Freiwilligen Feuerwehren im
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| Kreis Zauche-Belzig. ... Gelegentlich habe er an langen Sonnabend-Versammlungen
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| der Feuerwehr mitgemacht und sei dann erst am Sonntag morgens
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| nach hause gekommen, habe sofort den Talar über die Feuerwehrkluft
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| gezogen und Gottesdienst gehalten“.3
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| Ab 1939 betreute Sasse eine Gemeinde in Berlin-Johannisthal, wohin
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| er gezogen ist, nachdem es mit dem Bezirksleiter der NSDAP Spannungen
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| gegeben hatte. Pfarrer Sasse erkannte man später als „Opfer des Faschismus“
| |
| an.
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| Diese Informationen können nur einen unvollständigen Eindruck über
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| die Persönlichkeit des späteren NGM der GNML „3WK“ vermitteln. Am 14.
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| März 1951 richtete das BD der „3WK“ ein Schreiben an den Bundesminister
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| für Gesamtdeutsche Fragen (Jakob Kaiser), eine Stellungnahme zu den politischen
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| Vorwürfen gegen Sasse, er sei als Mitglied einer staatsfeindlichen
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| Partei untragbar und „die Loge (3WK) könne zu den kommunistisch ausgerichteten
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| Organisationen gezählt werden“.
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| 3 Vgl. „AUS DER GESCHICHTE DER LAZARUS-GEMEINDE ANLÄSSLICH IHRES
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| 110-JÄHRIGEN BESTEHENS», Text und Gestaltung: Henrik Schiemann (Küster), Herausgeber:
| |
| Der gemeinsame Gemeindekirchenrat der Ev. Kirchengemeinde St. Andreas und der Ev.
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| Lazarus-Kirchengemeinde, Berlin 2006, S. 22.
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| Ein Ausschnitt daraus mag die Person Sasses wie auch den oben
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| angedeuteten Sachverhalt ein wenig mehr verdeutlichen:
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| »Br. Fritz Sasse ist bereits seit dem 27.01.1923 Freimaurer. Während
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| der 12 Jahre der Finsternis hat unser Br. Fritz Sasse viel erleiden, und erdulden
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| müssen. Er hat in frühen Lebensjahren seine Eltern verloren und
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| wurde Vollwaise. Mittellos hat er sein Theologie-Studium dadurch durchgeführt,
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| daß er an den Abenden in einer Kapelle des Zirkus Busch gespielt hat,
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| um so die Mittel für sein Studium zusammenzubringen. Im Juni 1944 wurde
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| sein einziger Sohn als einfacher Gefreiter, weil er die in seinem Elternhause
| |
| gelernte Einstellung zum Deutschtum gegen eine Diktatur Hitlers zum Ausdruck
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| brachte, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Den Vater zwang man,
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| dieser Hinrichtung beizuwohnen. Freunde versteckten den Br. Fritz Sasse,
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| denn sonst wäre er am 20. Juli 1944 auch unter den Opfern des Faschismus
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| gewesen. Innerlich zerbrochen durch das Erlebte, hat er sich der SPD angeschlossen,
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| in dem Glauben und der Annahme, daß diese Partei die stärkste
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| Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus darstellte. Nach der
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| zwangsweisen Zusammenlegung der SPD und der KPD in der Ostzone und
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| im Ostsektor von Berlin wurde er zwangsweise in die SED überführt. Es ist
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| auch richtig, daß ihn diese Partei herausstellte und ihn zum Bezirksverordneten
| |
| des Bezirks Treptow wählen ließ. Da er sich aber in dieser Bezirksversammlung
| |
| so gut wie überhaupt nicht betätigte, ist er aus Interesselosigkeit
| |
| wieder ausgeschlossen worden. ... Es ist auch richtig, daß Br. Fritz Sasse
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| viele menschliche Fehler hat. Wir haben aber in Ausübung der in unseren
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| Kreisen geübten Toleranz darüber hinweggesehen, weil wir den größten Teil
| |
| seiner Fehler auf sein schweres Leid, daß er nun einmal durchleben mußte,
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| zurückgeführt haben. Wir geben auch zu, daß es richtig gewesen wäre, wenn
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| sich Br. Fritz Sasse von dem Posten des Großmeisters unserer Großen National-
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| Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln« bereits vor Jahresfrist losgesagt
| |
| hätte. Ihn aber aus diesem Amt zwangsweise zu entfernen, dafür lag kein
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| Grund vor, denn er hat in unseren Kreisen sich als treudeutscher Mensch
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| und als aufrichtiger Bruder bewegt und benommen«.
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| Soweit der Brief des BD an den Bundesminister für Gesamtdeutsche
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| Fragen...
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| Darüber hinaus steht obige Darstellung des Schreibens des BD im
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| Einklang mit den Angaben aus dem weiter oben erwähnten Bericht der ersten
| |
| Berliner Gemeinde Sasses, wovon ich mich durch Vergleich überzeugen konnte.
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| Die Angelegenheit Sasse zog immer größere Kreise, obwohl die Öf7
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| fentlichkeit kaum etwas erfuhr: ein Schreiben ähnlichen Inhalts erreichte auch
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| den damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, welcher qua Amt in der
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| Sache nichts unternehmen konnte. Immerhin schaltete er den Bundesinnenminister
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| Thomas Dehler ein, der seit 1929 Freimaurer war.
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| Fritz Sasse war NGM vom 10. November 1946 bis zu seinem Rücktritt
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| am 14. Dezember 1950. Die Korrespondenz, Darstellungen wie Gegendarstellungen,
| |
| aus dieser Zeit zum Politikum Sasse zwischen den Berliner
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| Großlogen, der VGL (AFuAM), vertreten durch den Großmeister Theodor Vogel,
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| und den erwähnten Politikern füllen mehrere Ordner in unserem Archiv.
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| Gleichwohl diese Dokumente von hohem Interesse und manchmal
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| Brisanz sind, verzichte ich an dieser Stelle auf eine Präsentation dieser Papiere,
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| stattdessen versuche ich mit Hilfe ebendieser Archivalien, die Angelegenheit
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| zusammenzufassen:
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| 1. Auf der einen Seite haben wir in der erwähnten Zeitspanne einen
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| NGM der „3WK“, der im Ostsektor Berlins wohnte und, was erschwerend
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| hinzukommt, Mitglied der SPD und später -nach der Zwangsvereinigung - der
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| SED war. Bei allem Verständnis für das menschliche Schicksal Sasses ist es
| |
| für jedermann klar, daß diese Konstellation in der Zeit der deutschen Teilung
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| und des Kalten Krieges wie das sprichwörtliche rote Tuch wirken musste.
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| 2. Es scheint jedoch, daß das Politikum Sasse für die VGL (AFuAM)
| |
| ein Anlass war, die GNML „3WK“ auszugrenzen, sie als irregulär darzustellen
| |
| und somit den Weg zur Schaffung einer einzigen deutschen Großloge zu
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| ebnen. Mir liegt fern die vernünftige Vision Theodor Vogels von einer einzigen
| |
| deutschen Großloge, in der alle Logensysteme vereinigt sind, gering zu
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| schätzen. Indes sind auch die Mittel von eminenter Bedeutung, die man benutzt,
| |
| um ein Ziel zu erreichen. Während Bernhard Beyer, Großmeister der
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| Großloge zur Sonne, forderte, man solle die Kontakte mit den altpreußischen
| |
| Großlogen auf Grund von „streng nationalen“ Äußerungen derselben noch
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| vor dem Verbot von 1933 ablehnen, bis es feststeht, daß bei ihnen ein Gesinnungswandel
| |
| eingetreten sei4, „befürchtete“ sein Stellvertreter und späterer
| |
| Großmeister Theodor Vogel, die GNML „3WK“ unter Sasse „verfolge kommunistische,
| |
| staatsfeindliche Tendenzen.“5
| |
| Auch wenn die Bemühungen, der „3WK“ die freimaurerische Regularität
| |
| abzuerkennen, letztlich misslangen, verraten diese widersprüchlichen
| |
| Aussagen einen gewissen Opportunismus - man war halt nicht gerade zimperlich
| |
| in der Wahl der Mittel, wenn es um die Durchsetzung von Interessen
| |
| ging.
| |
| 4 Vgl. : M. Steffens, Freimaurer in Deutschland, Frankfurt 1966, S. 530.
| |
| 5 Vgl. „Standortbestimmung“, Bd. II, S. 651.
| |
| 8
| |
| Wie bereits erwähnt, wurde Fritz Sasse am 14. Dezember 1950 veranlasst,
| |
| von der Geschäftsführung zurückzutreten.
| |
| 3. Diese für die GNML „3WK“ gefährliche Angelegenheit ist durch
| |
| klärende Gespräche mit dem Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen am 15.
| |
| und 17. März 1951 bereinigt worden. In einem Schreiben vom 28. März 1951
| |
| erklärte Der Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen, daß nunmehr „die
| |
| politischen Bedenken gegen die Leitung der GNML zu den “3WK“ hinfällig
| |
| geworden sind“6.
| |
| Abschließend sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen von
| |
| Dr. von Dellinghaus, Referent im Bonner Ministerium für Gesamtdeutsche
| |
| Fragen, nach Durchsicht der einschlägigen Akten von Interesse: „... die Angelegenheit
| |
| (sei) vollkommen geklärt, die Akten geschlossen“ ... „daß er (sc.
| |
| von Dellinghaus) durch die Art und Form, wie der Großmeister Dr. Vogel
| |
| vorgegangen sei, insofern einen falschen Eindruck bekommen habe, ..., daß
| |
| der Großmeister Vogel die Aufsichtsbehörde über alle ... Großlogen in
| |
| Deutschland sei“ - und schließlich „die Angriffe gegen die GNML 3W von
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| Freimaurerkreisen ausgegangen seien, und daß Auskünfte bei Logen und
| |
| Großlogen in Berlin eingeholt worden seien.“7
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| Dies zur Affäre um den NGM der GNML „3WK“ Fritz Sasse; wir betrachten
| |
| nun den zweiten Komplex über die Liquidation der 3WK und um den
| |
| Prozeß gegen Karl Manecke.
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| Der Prozeß der „3WK“ gegen Karl Manecke
| |
| Die Auflösung und die Liquidation der GNML „3WK“ bilden für sich
| |
| einen sehr komplizierten, manchmal undurchsichtigen Prozeß, deren
| |
| Auswirkungen die Großloge bis in die jüngste Vergangenheit beschäftigten.
| |
| Im Folgenden soll eine kurze Übersicht aus diesem Gesamtkomplex gegeben
| |
| werden.
| |
| Während die Übergriffe gegen die Freimaurerei bereits kurz nach der
| |
| Machtergreifung sich bemerkbar machten, zeigte es sich zu Beginn des
| |
| Jahres 1934, daß die NS-Regierung eine konzertierte Aktion plante, um das
| |
| Ende der Freimaurerei herbeizuführen. In diesem Zusammenhang soll hier
| |
| an eine am 4. Januar 1934 vom preußischen Ministerpräsidenten H. Göring
| |
| unterzeichnete Verordnung erinnert werden, in der den Großlogen die Selbstauflösung
| |
| nahegelegt wird, zumal „keinerlei Bedürfnis mehr für die Erhaltung
| |
| der Logen zu erkennen ist.“
| |
| Zu einem Zeitpunkt, als die Altpreußischen Großlogen, wie es hieß,
| |
| 6 Ebda. S. 652
| |
| 7 Ebda. S. 651-652.
| |
| 9
| |
| sich noch in „freiwilliger Selbstauflösung“ befanden, beschloß die Großlogenversammlung
| |
| am 16. Juni 1935 die Auflösung der GNML 3WK; zum Liquidator
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| wurde Br. Dr. Carl Manecke / Hamm Westfalen bestimmt. Er wurde ermächtigt
| |
| über das Liquidations-Vermögen der 3WK zu bestimmen. Den Tochterlogen
| |
| wurden empfohlen der Einheitlichkeit wegen ebenfalls Dr. Manecke
| |
| zum Liquidator zu ernennen, was auch in den meisten Fällen geschah.
| |
| Zur Person: Dr. Carl Manecke, Doktor der Jurisprudenz und Kaufmann,
| |
| wurde 1889 in Hamm /Westfalen geboren. In der Loge "Zum hellen
| |
| Licht" in Hamm wurde er 1922 aufgenommen, seit 1927/28 war er MvSt
| |
| dieser Loge und nach dem Kriege bis 1952. In den dreißiger Jahren war er
| |
| Intimus des damaligen NGM der GNML 3WK und überzeugten Nationalsozialisten
| |
| Dr. Otto Bordes (NGM von April 1933 bis zur Auflösung im Juli
| |
| 1935). Über die Person des Carl Manecke sind die Meinungen geteilt.
| |
| Während er von den Brüdern seiner Logen in Hamm und in Lüneburg für
| |
| seine Tätigkeit beim Wiederaufbau dieser Logen nach 1945 eine Würdigung
| |
| erhielt8, spricht die GNML 3WK von „einem unheilvollen Wirken Maneckes“9;
| |
| es wurde sogar von seiner früheren Großloge ein Prozeß gegen ihn auf
| |
| Rechnungslegung und Auskunft über die Verwaltung des Logenhauses
| |
| (Splittgerbergasse 3-4) in den Kriegsjahren angestrengt. Es drängt sich nun
| |
| die Frage auf, wie es zu diesem Prozeß kommen konnte.
| |
| Den Hauptanteil der von der NS-Regierung angeordneten Liquidation
| |
| der Freimaurerlogen stellen fast immer die Liegenschaften dar. Das Haus der
| |
| GNML 3WK wurde am 4. März 1935 beschlagnahmt und ausgeraubt, dabei
| |
| sind unübersehbare Wertgegenstände geraubt oder vernichtet worden. Merkwürdigerweise
| |
| verfiel weder das Grundstück noch das Logengebäude der
| |
| GNML 3WK der Liquidation, da Dr. Manecke beide Werte aus der Liquidationsmasse
| |
| herausnahm. Warum Manecke so verfuhr bzw. so verfahren
| |
| konnte, bleibt sein Geheimnis - die Quellenlage lässt derzeit leider keine
| |
| Klärung zu. Manecke behauptete nachträglich, das Haus sei unveräußerlich
| |
| gewesen. Wie dem auch sei, Manecke vermietete das Haus an den Preußischen
| |
| Staat (Allgemeine Finanzverwaltung/Preußische Bau- und Finanzdirektion)
| |
| und zwar vom 1. April 1938 bis zum 31. März 1943. (D.h. vom 4.
| |
| März 1935 (Tag der Beschlagnahme) bis zu seiner Vermietung am 1. April
| |
| 1938 stand das Haus - aus unbekannten Gründen - ungenutzt leer.) Der Mietzins
| |
| betrug jährlich 90.000 RM und das Mietverhältnis endete am 8. Mai
| |
| 8 Vgl. A. Grunwald, Geschichte der Freimaurerei in Lüneburg von 1775-2012, Norderstedt
| |
| 2012, S. 153.
| |
| 9 Vgl. z.B. R. Dosch - W. Schwartz, 250 Jahre Große National-Mutterloge „Zu den drei
| |
| Weltkugeln“, Berlin 1990, S. 71.
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| 1945, mit der bedingungslosen Kapitulation des Dritten Reiches.
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| Nach ihrem „Wieder-in-Arbeit-Setzen“ forderte die GNML 3WK von Dr.
| |
| Carl Manecke Rechnungslegung über den Verbleib dieser Gelder - d.h. über
| |
| die Mieteinnahmen aus 7 Jahren. Daraus entstand eine gerichtliche Auseinandersetzung,
| |
| die sich über drei Instanzen erstreckte und vom 5. Juli 1950
| |
| bis zum 17. November 1955 andauerte - sie endete mit der Verkündung des
| |
| Urteils des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes.
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| Das Urteil des Bundesgerichtshofes ist aus folgendem Grund
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| bemerkenswert: Ging es in diesem Prozeß zunächst um Auskunftspflicht und
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| Rechnungslegung, so entwickelte er sich primär um die Klärung der Rechtsfähigkeit
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| der GNML 3WK, die bekanntlich 1935 zur „Selbstauflösung“
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| gezwungen worden ist.
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| Ich gebe hier die entscheidenden Passagen des 25 Seiten starken
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| Urteils10 stichpunktartig (im Zitat) wieder:
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| • „Die GNML 3WK ist nicht aufgelöst worden und hat ihre Rechtsfähigkeit
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| nicht verloren.“
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| • „Der Wiederverleihung der Rechtsfähigkeit oder gar einer Eintragung
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| ins Vereinsregister bedurfte es nicht. Die wiedererstandene Loge beruht auf
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| vor dem Inkrafttreten des BGB geltenden Recht.“
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| • „Die GNML 3WK ist Eigentümerin des Grundstücks Berlin, Splittgerbergasse
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| 3-4 geblieben. Das ergibt sich aus ihrem Fortbestande und der
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| Fortdauer der Grundbucheintragung, die sie nach wie vor als Eigentümerin
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| ausweist.“
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| • „Die Verfügungsbefugnis des Beklagten (d.h. Dr. C. Manecke) ist
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| erloschen. Seine Einsetzung zum Liquidator war nichtig, da sie die Auflösung
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| der Mutterloge voraussetzt und unter nationalsozialistischem Druck
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| erfolgte“ ... „Während der Liquidator eines Vereins ausschließlich den Vereinsmitgliedern
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| verantwortlich ist ... war der Beklagte als ein Werkzeug nationalsozialistischer
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| Macht tätig und ihr verantwortlich.“
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| • „Der Beklagte muß daher für verpflichtet erachtet werden, der
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| Klägerin Auskunft über die Verwendung der Erträgnisse des bezeichneten
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| Grundstücks zu geben.“
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| • „Er ist dagegen nicht rechnungslegungspflichtig, denn er war nicht für
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| sie tätig.“
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| So endete diese langjährige gerichtliche Auseinandersetzung, die einerseits
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| die Rechtsfähigkeit und den kontinuierlichen Fortbestand der GNML
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| 10 Vgl. „Standortbestimmung“ Bd. II, S. 664 ff.
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| 3WK feststellte, andererseits den Weg zu den späteren Restitutionen ebnete.
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| Darüber hinaus zeugt diese Auseinandersetzung auch vom Misstrauen, das
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| die unmittelbare Nachkriegszeit geprägt hat. Da die Brüder, die nach dem
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| Kriege die Freimaurerei aufbauten, in der Regel auch in der Zeit vor 1933
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| freimaurerisch aktiv waren, konnte es nicht ausbleiben, daß einige eifrige Befürworter
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| der „rechtsautoritären Anpassung„11 der GNML 3WK aus der Zeit
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| des NS-Regimes auch nach 1945 eine führende Rolle beim Wiederaufbau
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| der Freimaurerei in Deutschland spielten.
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| Ich möchte meinen Vortrag mit einem Zitat aus dem Antimachiavell
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| Friedrichs des Großen schließen:
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| „Wer zu klarer Einsicht gelangen will, muß zunächst die Wesensart
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| seines Gegenstandes ergründen, er muß zurückgreifen auf den Ursprung der
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| Erscheinungen, um nach Möglichkeit ihre Anfänge und deren Gesetze zu
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| erkennen;“
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| Um Persönlichkeit und Wirken der in diesem Vortrag erwähnten
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| freimaurerischen Persönlichkeiten beurteilen zu können, muß unabhängig
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| vom politischen Standort berücksichtigt werden, daß sie Teil unserer Vergangenheit
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| sind. Auch wenn diese Vergangenheit noch weiter in die Ferne
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| gerückt ist, geht es hier nicht ums Verurteilen nach einem schwarz-weiß
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| Muster: hier die Guten, da die Bösen. Es geht darum, daß wir die Handlungsweisen
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| verstehen und vor allem nicht vergessen. Denn man kann sich
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| weder aus der Geschichte herausstehlen noch selektiv nur die positiven
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| Gedanken und Gestalten der deutschen Geschichte für sich beanspruchen.
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| 11 Vg. H. H. Höhmann, Freimaurerei, Bremen 2011, S. 77
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